Nur der Sommer wäre noch strahlender und vertrauter

Und selbst die Platzregen der ersten Julitage sind inzwischen vorübergezogen. „Das ist wohl gut so“, meinte Mutter, während wir zusammen die reifen Kirschen im Garten pflückten, denn unsere Stadt trägt jetzt ein neues Gewand – so neu, dass ich einen Augenblick innehielt, als ich die breite Straße zur fast menschenleeren Bushaltestelle im windigen Sommerabend überquerte. Die hohen Gebäude bei Mundsburg schwammen in einem dünnen, orangefarbenen Abendlicht und wirkten seltsam fremd – jener Ort, auf dessen höchster Spitze wir uns einst erträumt hatten, die nächtliche Frühlingsstadt zu überblicken.

 

Wärst du hier, würdest du dich genauso wundern wie ich, wenn man an einem frühen Abend die vertraute Straßenecke passiert und doch meint, sie zum allerersten Mal zu sehen, durch den schmalen Gang, der zwei Hausteile miteinander verbindet. Du würdest stehen bleiben und das honiggelbe Licht bestaunen, das wie flüssiger Bernstein über den Boden rinnt – als wäre dies nicht unser vertrautes Hamburg, sondern irgendein anderer Ort, den wir beide irgendwann durchquerten, ohne seinen Namen festzuhalten.

 

All die kleinen, gewohnten Dinge wirken plötzlich fremd: die winzigen Wildblüten am Straßenrand, die klaren Regentropfen, die einzeln auf das rosa-weiß karierte Tischtuch unseres Stammlokals fallen, die samtige Tomatensuppe, die wir damals kosteten und immer wieder kosten werden, um den süß-säuerlichen, kühlen Geschmack des Sommers am See zu lieben. Und doch erkennen wir, dass nichts wirklich fremd ist: Ich liebe noch immer die Straße, die wir entlanggingen, schenke dem Kellner in der Hausnummer 26 noch immer ein spontanes Lächeln, berausche mich noch immer am Schaum eines Glases Gutmann – nur wäre der Sommer noch strahlender und vertrauter, wenn du hier wärst.

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