An dem fernen Ort, an dem du jetzt bist, genießt du vielleicht jede Morgenfrische, während irgendwo ein Hahn kräht und dich an deine Kindheit in Fürth erinnert. Mittags liegst du vielleicht entspannt auf einer sattgrünen Wiese; nachts begleiten dich in deinen Träumen die hellen Fahrradklingeln, die am Tag an dir vorbeigeklingelt haben. Und während du dort bist, weißt du sicher auch, dass das Leben in unserer kleinen Wohnung am Alsterufer ruhig weiterfließt: Die Gartengänseblümchen, die du gepflanzt hast, blühen noch, der Rosmarin auf dem sonnenabgewandten Balkon trägt violette Blüten. Ihr Duft weht manchmal ins Zimmer hinüber und lässt mich an die Abende denken, an denen wir mit Mutter früh zu Abend gegessen haben, um rechtzeitig zur Vorstellung im Theater bei Mundsburg zu sein.
Du ahnst nicht, wie seltsam Hamburg in diesem Sommer wirkt. An hellen Tagen war es so heiß, dass Mutter und ich fast nur Zitronenlimonade mit Jasmintee tranken. Manchmal sind wir einfach spontan in die Papenhuder Straße 26 gegangen, um dort ein Mahrs Ungespunden zu trinken und anschließend wieder nach Hause zu schlendern. Dann kamen die Regentage: Ich hetzte vom Bus nach Hause, klatschnass, während sich das Trommeln des Regens mit den fernen Kirchenglocken zu einer melancholischen Sonntagnachmittagsmusik mischte. An solchen Nachmittagen saß ich mit deiner zurückgelassenen Taschenbuchausgabe auf deinem Bett, das Mutter regelmäßig aufschüttelt – nicht weil es staubig wäre, sondern weil sie den verbliebenen Duft nach dir spüren möchte.
Seltsam ist auch, dass unser Stammlokal plötzlich Bayerischen Schweinebraten auf die Karte gesetzt hat – genau in dem Moment, als du fortgingst, als wollte dieses Gericht dir einen Gruß hinterherschicken, ohne dich je zu treffen. Nach diesem merkwürdigen Sommer wird mir klar: Wirklich ungewöhnlich ist nur, dass du fehlst. Es gibt niemanden, der sich mit mir an Tisch 2 im Pappenheimer Wirtschaft setzt, dem Klirren des Bestecks und dem Murmeln der Gäste lauscht oder mit mir im Bett liegt und dem endlosen Regen zuhört. Trotzdem bewahre ich all diese eigentlich unspektakulären Momente: Ich koste den zarten Schweinebraten mit hausgemachtem Rotkohl, der nach Apfel und Lorbeer duftet, und esse damit die Sehnsucht nach unseren glanzvollsten Sommertagen ein Stück weit auf.
Davon – von diesem Sommer ohne dich und doch voller Erinnerung an dich – werde ich dir erzählen, wenn wir uns wiedersehen.
Eine Julinacht voller Sommer.
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