Wir fragen uns, wann der Herbst beginnt – und finden keine Antwort.
Vielleicht dann, wenn der weiße Nebel den See hinter dem Haus umhüllt,
wenn ich mit Mutter am Tisch sitze,
in der Ecke der kleinen Küche,
eine Tasse bitteren Kaffee in den Händen halte
und darauf warte, dass die Sonne durch die alten Kiefern fällt,
auf den kalten Steinboden,
auf ihre schmalen Hände,
die gerade nach dem Teller mit Buttergebäck greifen,
im schmalen, flüchtigen Licht des Tages.
Ich weiß nicht, wann der Herbst kommt.
Ich merke es daran, dass ich alte Gewohnheiten aufgebe.
Ich sitze an Tisch Nummer vier,
auf dem letzten freien Stuhl im überfüllten Stammlokal,
bestelle ein leichtes Krug Pilsener
und danach ein Glas Helbing Kümmel –
als wollte ich mich an dem vertrauten Brennen wärmen,
bevor ich hinaus in die Kälte trete.
Ich gehe durch stille Straßen,
unter feinem Nieselregen oder fahlem Sonnenlicht,
das durch Blätter fällt, die gerade ihre Farbe wechseln.
An vertrauten Kreuzungen bleibe ich stehen,
verwirrt,
als hätte ich mich in meiner eigenen Stadt verlaufen.
Vielleicht ist der Herbst ein Geheimnis,
wenn ich Mutter lange auf der alten Holzbank im Garten sitzen sehe,
wie sie auf das rostige Tor blickt,
dessen blaugrüne Farbe wir einst im Frühling gestrichen haben.
Ihr Haar glänzt weiß im schwachen Licht,
das die Kälte des Morgens nicht zu vertreiben vermag.
Manchmal lasse ich sie in ihrem stillen, privaten Herbst,
manchmal setze ich mich neben sie,
höre den leisen Tönen eines Klaviers,
die aus dem alten Radio dringen –
eine Melodie, die sich erinnert.
Dann zieht der Herbst weiter,
nimmt all die kleinen Geheimnisse mit,
die wir uns so oft fragen,
aber nie beantworten.
Vielleicht ist es genau das,
was ihn so kostbar macht –
weil er kommt,
ohne sich anzukündigen,
und vergeht,
ohne zu bleiben.
Herbst – unser verborgener Badestrand am Rand des Waldes,
zu dem ich gehe, nur um den Sonnenuntergang zu sehen,
der über dem Wasser glitzert wie Fischschuppen.
Herbst – das klare Wasser spiegelt die letzten Schwäne,
die über den See gleiten,
bis sie hinter dem goldenen Ahornwald verschwinden.
Herbst – dein Fahrrad,
das ich unten am Sandhügel zurückgelassen habe.
Herbst – ein neues Ritual.
Spät in der Nacht,
wenn die Stadt längst schläft,
liege ich wach
und höre das Rascheln der Blätter,
die sich im Wind jagen –
und glaube,
es seien Schritte
von jemandem,
der nach Hause kommt.
Hamburg, ein Herbstabend.
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